Wenn Spielgeräte in die Jahre kommen, eine Reparatur aber nicht mehr lohnt, müssen diese aus Sicherheitsgründen abgebaut werden. Aber was tun, wenn die Kassen zu leer sind, um adäquaten Ersatz zu beschaffen? Im Bezirk Berlin Pankow startete man kurzentschlossen die Spenden-Aktion „Schiffbruch – auf zu neuen Ufern“ und bat die Bürgerinnen und Bürger um Spenden. Hat das funktioniert?

Diese zwei schönen Spielschiffe in Berlin Pankow sind jetzt Geschichte. Abgebaut, weil sie ein Sicherheitsrisiko waren. Foto: Siedenburg (links), Spielplatztreff-User Elli

Diese zwei schönen Spielschiffe in Berlin Pankow sind jetzt Geschichte. Abgebaut, weil sie ein Sicherheitsrisiko waren. Foto: Siedenburg (links), Spielplatztreff-User Elli

Diese beiden schönen Spielschiffe auf den Spielplätzen „Am Helmholtzplatz“ und „An der Marie“ im Prenzlauer Berg (gehört zu Berlin Pankow) mussten im Februar und März 2014 abgebaut werden. Sie waren über die Jahre marode geworden und nicht mehr sicher.

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Das Piratenschiff „An der Marie“ wird Ende Februar 2014 gebaut. Foto: Siedenburg

 

Spielschiff oder Standard-Klettergerät?

Der Bezirk Pankow, verantwortlich für die beiden Spielplätze, hatte zwar pro Spielplatz 15.000 Euro im Haushalt vorgesehen, um die Geräte zu ersetzen, jedoch hätte für diese Summe höchstens ein Standard-Klettergerät finanziert werden können.

Damit war vor allem Constanze Siedenburg, Mitbegründerin und Vorsitzende des Freundeskreises Marie e.V. nicht einverstanden. Der Verein engagiert sich seit Jahren für den Stadtplatz „Marie“, auf dem einer der beiden Spielplätze liegt. „Das Schiff ist in all den Jahren auch ein Wahrzeichen dieses Platzes geworden, darauf wollten wir nicht verzichten. Außerdem hätten die Leute auch mich verantwortlich gemacht, warum ich denn nichts gesagt hätte, wäre das Schiff einfach abgebaut und durch ein normales Klettergerät ersetzt worden, wie das ja ursprünglich geplant war“, begründet Constanze Siedenburg ihren Widerspruch.

 

Konstruktiv mit der Not umgehen

Constanze Siedenburg war es auch, die auf die Idee mit der Spendenaktion kam: Warum nicht private Bürgerinnen und Bürger um Spenden für die Piratenschiffe bitten? Das Bezirksamt Pankow stimmte spontan zu. Jens-Holger Kirchner, Stadtrat für Stadtentwicklung in Berlin Pankow äußerte sich dazu in der Berliner Zeitung: „Wir wollen nicht einfach nur jammern, sondern konstruktiv mit der Not umgehen“.

Gesagt, getan. Für die Planung und Durchführung blieb wenig Zeit. Die Frage des Ersatzes musste möglichst schnell geklärt werden. Constanze Siedenburg entwarf als Kommunikationsdesignerin die Plakate und kreierte den Slogan für die Spenden-Aktion „Schiffbruch – auf zu neuen Ufern“. Die Plakate wurden geklebt, Postkarten verteilt und die Werbetrommel in den Medien gerührt.

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Die offiziellen Plakate zur Spenden-Aktion, Entworfen von Constanze Siedenburg

Ziel war es, innerhalb von vier Wochen (Mitte Februar bis Mitte März 2014) jeweils 5.000 Euro an privaten Spenden zu sammeln, um den vorhandenen Etat so aufzustocken, dass es für zwei neue Spielschiffe reichen würde. Könnte das gelingen?

 

Die Grundidee kam gut an

Ute Truttmann, Sanierungsbeauftragte für das Gebiet Prenzlauer Berg, begleitete die Spenden-Aktion ein Stück weit und schaut positiv zurück: „Die Grundidee ist bei den Bürgerinnen und Bürgern sehr gut angekommen, niemand stand mir ablehnend gegenüber, auch wenn nicht jeder gleich gesagt hat, er spendet für das Gerät. Geholfen hat sicherlich, dass der Bezirk von Anfang an klar gemacht hat, dass es nicht um die komplette Finanzierung, sondern um einen Zuschuss für das neue Spielgerät geht.“

Aus Gesprächen mit Eltern auf dem Helmholtzplatz hat Ute Truttmann allerdings auch mitgenommen, dass es während der gesamten Aktion einen großen Gesprächsbedarf gab und jede Menge Fragen auftauchten, die beantwortet werden wollten: Was geschieht mit meinem Geld? Wohin fließt das Geld, wenn mehr als 5.000 Euro zusammenkommen? Gibt es eine Möglichkeit mit zu entscheiden, wie das neue Spielgerät aussieht?

 

Ein Mensch macht den Unterschied

Diese und andere viele Fragen hat auch Constanze Siedenburg immer wieder beantwortet. Denn direkt nachdem vom Bezirk die offizielle Zusage für die Spenden-Aktion kam, hat sie federführend für den Spielplatz „An der Marie“ die Organisation in die Hand genommen. Sie war stets als Ansprechpartnerin vor Ort präsent, organisierte mehrere Spielplatz-Feste, informierte via Facebook und E-Mail-Verteiler über die Aktion und nutzte in vielen Gesprächen ihre Kontakte, um Spendengelder zu akquirieren.

Die Spenden-Aktion wurde auch auf Fabebook beworben

Die Spenden-Aktion wurde auch auf Fabebook beworben

Bis zu 10 Stunden wöchentlich war Constanze Siedenburg während der Aktionslaufzeit im Einsatz und kümmerte sich teilweise bis spät abends um die Spenden-Aktion. „Ich hab schon gemerkt, dass viel letztendlich an mir hängengeblieben ist. Und ich hätte mir eigentlich mehr Unterstützung von unserem Verein gewünscht.“, sagt Contanze Siedenburg dazu.

Dennoch ist sie nicht enttäuscht, denn von anderen Personen hat sie Unterstützung erfahren und wirklich eindrucksvoll war die Unterstützung durch die Kinder der angrenzenden Grundschule, Horteinrichtungen und des Jugendclubs: „Die Kinder haben mit einer riesigen Begeisterung und großem Aktionismus um ihr neues Spielschiff gekämpft. An einem Samstag, kurz vor Ende der Spenden-Aktion, zogen sie mit den Spendenbüchsen los und sammelten allein an diesem Tag knapp 900 Euro von Passanten auf der Straße ein.“, erinnert sich Constanze Siedenburg voller Freude.

 

Dass so viel zusammenkommt…

Der unermüdliche Einsatz über die Wochen hat sich gelohnt. Am Ende kamen knapp über 8.000 Euro für den Spielplatz „An der Marie“ zusammen – mit Ablauf der Aktion waren es knapp 7.200 Euro, später trudelten weitere Spenden ein – deutlich mehr als gedacht. „Das war echt der Wahnsinn! Ich hätte nie gedacht, dass so viel zusammenkommt. Und es ist toll zu sehen, dass man so viel bewegen kann.“, freut sich Constanze Siedenburg voll Stolz über das Erreichte. Genügend Geld ist beschafft, nun wird nach einem geeigneten Spielschiff gesucht. Constanze Siedenburg ist mit dabei.

Constanze Siedenburg (rechts) präsentiert mit ihren Mitstreitern das tolle Spenden-Ergebnis. Foto: Siedenburg

Constanze Siedenburg (rechts) präsentiert mit ihren Mitstreitern das tolle Spenden-Ergebnis. Foto: Siedenburg

Und beim Helmholtzplatz? Dort lief es nicht ganz so gut. Hier sind leider nur 1.015 Euro zusammengekommen. Ein und dieselbe Aktion und doch im Ergebnis so unterschiedlich. Woran liegt das? „Sicherlich fehlte die konstante Kommunikationsbasis. Es gab im Prinzip keinen direkten regelmäßigen Kontakt mit den Anwohnern während der Aktion“, begründet Ute Truttmann die unterschiedlichen Ergebnisse. Und sie ist davon überzeugt: „Wenn es gelingt, Strukturen zu schaffen, um mit den Bürgerinnen und Bürgern im Dialog zu bleiben, dann könnte das sicherlich ein Weg sein, über den es sich nachzudenken lohnt. Das hat Constanze Siedenburg mit ihrem Förderverein Freundeskreis MARIE e.V. eindrucksvoll bewiesen.“

 

Bürger spenden für Spielgeräte – ein Modell für die Zukunft?

Der Bezirk Pankow will nun die Erfahrungen auswerten, um zu sehen, was sich aus dieser spontanen Entscheidung für eine Spenden-Aktion für die Zukunft entwickeln lässt. Und das ist auch richtig so. Denn es stellt sich bei aller Kreativität und dem Mut, den der Bezirk Pankow durch solch einen unkonventionellen Schritt bewiesen hat, die Frage: Ist das tatsächlich ein Modell für die Zukunft oder sollte es eher die Ausnahme bleiben? Wolf Sasse, vom Straßen- und Grünflächenamt Pankow dazu: „Mit dieser Aktion wollten wir wissen, ob es genügend Menschen gibt, die sagen: „So ein einfaches Spielgerät ist uns zu wenig, wir hätten doch gerne wieder ein imposantes Spielschiff und dazu wollen wir auch unseren Beitrag leisten.“ Aber eine Ausnahme sollte es bleiben.“

Die Spielplatz-Besucher des Helmholtzplatzes können übrigens hoffen. Der Bezirk will prüfen, ob Fördermittel für die noch fehlende Summe beantragt werden können. Dann gibt’s vielleicht doch noch ein neues Spielschiff auf dem Helmholtzplatz?

 

Interessant zu sehen, unter welchen Umständen eine solch spontane Sammelaktion tatsächlich klappen kann. Wie seht ihr das? Würdet ihr für „euren“ Spielplatz etwas spenden, wenn eure Stadt darum bittet?

 

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